Technologie trifft Versorgung: Der Beitrag der Medizintechnik zur Gesundheitswende

Kommentar von Roland Pfleger

Unser Gesundheitswesen steht unter erheblichem Druck. Die Diagnose: Fachkräftemangel, demografischer Wandel, steigende Kosten und fragmentierte Versorgungsstrukturen. Diese Faktoren gefährden die langfristige Leistungsfähigkeit des Systems. Gleichzeitig investieren wir überdurchschnittlich hohe Summen in die Gesundheitsversorgung – mit Ergebnissen, die diesen Aufwand nicht immer rechtfertigen. Der Anspruch an Qualität und Effizienz wächst. Es braucht einen grundlegenden Wandel.

Patient Gesundheitswesen – Therapie Medizintechnik?

Dieser Wandel ist ohne Medizintechnik nicht denkbar. Sie liefert konkrete Antworten auf die Herausforderungen im heutigen und zukünftigen Versorgungsalltag. Besonders im Kontext des Fachkräftemangels können Automationslösungen bereits heute spürbaren Nutzen stiften: etwa durch die Entlastung von Apothekenpersonal bei der Ein- und Auslagerung von Arzneimitteln oder durch die Digitalisierung von Dokumentationsprozessen, die Fachkräfte wieder für patientennahe Tätigkeiten freisetzt. Morgen wird der demografische Wandel dafür sorgen, dass diese Entlastung zur Notwendigkeit wird – weil schlicht weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Das Potenzial der Medizintechnik zeigt sich aber auch besonders im Zusammenspiel von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Ob beim digitalen Medikationsmanagement auf Krankenhausstationen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit oder direkt im OP, wo KI kritische Situationen frühzeitig erkennt und langfristige Schäden verhindert – die Versorgungsqualität kann deutlich steigen.

Auch Fortschritte bei Implantaten und medizinischen Verfahren sind eng mit medizintechnischer Innovation verknüpft. In hochinnovativen Bereichen stellt sich zunehmend die Frage, wie moderne Techniken bereits bei Ersteingriffen eingesetzt werden können, um Folgeschäden von vornherein zu vermeiden. Das bringt nicht nur spürbaren Mehrwert für Patientinnen und Patienten, sondern entlastet auch das System: Jeder vermiedene Eingriff spart Kosten – und damit Beiträge.

Ein Realitätscheck

So vielversprechend die Potenziale der Medizintechnik sind – sie entfalten sich keineswegs automatisch. Der Weg von der Innovation zur flächendeckenden Versorgung ist lang und komplex. Medizintechnische Lösungen stoßen in der Praxis auf strukturelle, regulatorische und ökonomische Hürden. Kliniken und Versorgungseinrichtungen kämpfen mit begrenzten Budgets, langen Entscheidungszyklen und einem hohen Dokumentationsaufwand. Gleichzeitig fehlt es häufig an interoperablen IT-Strukturen, die digitale und KI-gestützte Anwendungen sinnvoll integrieren können.

Auch die Innovationskraft der Branche steht unter Druck: Die regulatorischen Anforderungen steigen, insbesondere durch die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR), während die Investitionsbereitschaft in neue Technologien sinkt. Start-ups und mittelständische Unternehmen – oft die Treiber von Innovation – geraten dadurch zunehmend ins Hintertreffen.

Was bringt die Zukunft?

Für die Zukunft braucht es ein Umdenken: Das Gesundheitssystem im Status quo ist langfristig nicht tragfähig. Damit Medizintechnik ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht es gezielte politische und strukturelle Impulse. Mögliche Handlungsfelder liegen in klaren Strukturveränderungen zugunsten einer qualitativ hochwertigen Versorgung und effizienteren Versorgungsprozessen. Dafür braucht es die richtigen Investitionen in zukunftsfähige Infrastruktur jetzt – auch als Frage der Generationengerechtigkeit.

Gleichzeitig muss erlaubt sein, über Präventions- und Qualitätsanreize nachzudenken: Können wir durch gezielte Prävention und systematische Maßnahmen zur Verbesserung der Ergebnisqualität langfristig eine bessere und effizientere Versorgung erreichen? Für viele Entscheider mag das wie eine Wette auf die Zukunft wirken – doch wenn diese Wette durch medizinische Evidenz gestützt wird, stellt sich der ökonomische Mehrwert mit hoher Wahrscheinlichkeit ein. Nur so wird aus technologischer Möglichkeit tatsächlicher Fortschritt – für Patientinnen und Patienten und für das Gesundheitssystem als Ganzes.

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Mag. Roland Pfleger, Mitglied des AUSTROMED Vorstands und Vice Präsident & General Manager, Central & Eastern Europe bei Becton Dickinson (BD). Er engagiert sich für eine moderne und nachhaltige Gesundheitsversorgung, Verbesserungen in der Versorgungsqualität und die Entlastung der Gesundheitsfachkräfte durch Medizintechnik.